Osttirol-online – Walter Mair © 08.08.2002
Wie ein Adlerhorst fügt sich die Sajathütte dem Kar, das vom fernen Panargenkamm umrahmt wird.
Sajathütte: Die neue Hütte am Venediger Höhenweg
Die Hüttengeschichte reicht zurück in das Jahr 1974, als Bergenthusiasten eine kleine Herberge hinauf in das nahezu unbekannte Kar zu Füßen "namenloser" Berge stellten. Allmählich wuchs mit drei Baustufen und über ein Vierteljahrhundert die Sajathütte unter dem unermüdlichen Friedl Kratzer zu einem Schutzhaus, das über weite Bergsteigerkreise hinaus Zustimmung und Anerkennung fand. Ein Lebenswerk einer Bergbauernfamilie, das mit unergründlichem Mut und Tatkraft, mit Opfern und erheblichen Mitteln zu einem beliebten und gediegen der hochalpinen Landschaft angepasstem "Schloss in den Bergen" gediehen ist. Mit berechtigtem Stolz durfte die Kratzerfamilie, mit Sohn Stefan an vorderer Stelle, das 25-jährige Hüttenjubiläum verkünden, geplante Festlichkeiten, denen die Lawine am 21. April 2001 zuvorkam, die mit elementarer Gewalt alles zerhämmerte und mit derber Faust in die Tiefe schleuderte.
Dieses Ereignis hat Bedauern und bei allen, die der Hüttengeschichte seit Anbeginn etwas näher standen, tiefe Bestürzung ausgelöst. Niemand hätte sich gewundert, wenn ratlos und unfähig zu neuer Tat, die Kratzerfamilie sich dem Schicksal gefügt hätte. Doch wir ahnten zu Recht, wie mutig und zäh Menschen im hinteren Iseltal sein können. Vergleichsweise zäh wie eine Zirbe hoch oben in der Kampfzone, in den Wetterwinkeln der Berge.
Schon im Sommer des Vorjahres waren auf dieser extremen Höhenbaustelle die äußeren Konturen der neuen Sajathütte erkennbar, und alle behaglichen Details hinter Natursteinmauern und lärchener Schindelverkleidung gediehen über den Winter. Da wurde der wechselvollen Hüttengeschichte auch eine neue Ära angebaut, wobei diese, im Zeitraffer dahinfließenden Zeilen auf tausende einzelne freud- und leidvolle Stunden nicht Rücksicht nehmen können.
In den Analen festgeschrieben bleibt der Sommersonntag des 28. Juli mit der neuen Sajathütte inmitten einer bizarren Bergwelt, mit Neubeginn und festlicher Wiedereröffnung. Der Rahmen hätte schöner nicht sein können. Hunderte Besucher, die dem Gottesdienst beiwohnen und sich von den gefühlvollen Worten des Pfarrers Andreas Steiner tragen lassen, um auf den Klängen der Öbester Buebn wieder zurückzuschwingen, auf den Tanzboden, dem einzig ebenen Platz in dieser Ferne und Steile. Dort steht das Rednerpult und Stefan blättert in den Kapiteln der Sajatgeschichte, HR Othmar Kronsteiner vom Katastrophenfond verhehlt nicht seine Überraschung über das hier neu Geschaffene. An Bewunderung und anerkennenden Worten fehlt es nicht. Das spürt man in den kurzen Ansprachen des Prägratner Bürgermeisters Johann Kratzer und TVB-Obmannes Gotthard Bstieler. Grüße und Glückwünsche überbrachten Patrick Nairz vom Lawinenwarndienst, Franz Theurl von der Osttirol Werbung, Werner Lamprecht von der Wirtschaftskammer. Auch dem Österreichischen Alpenverein blieb das Schicksal der Familie Kratzer nicht gleichgültig.
Das größte Geheimnis, mit der ihm innewohnenden Kraft und Willen liegt in einer verschworenen, gemeinsam kämpfenden Familie begründet, angeführt von Maria, der Mutter und Seele der Hütte. Ihr zur Seite steht ein Team, dessen Gastfreundschaft man anlässlich der AV-Jugendbergwoche am Beginn der Ferienzeit angenehm erfahren und wo man den vielschichtigen Komfort der Hütte wahrlich genießen konnte. Neben Stefan, Friedl, Florin und dessen Söhnen alle am Geschehen Beteiligten hier zu nennen, ist unmöglich. Sie werden in einer Hüttenchronik einen gebührenden Platz einnehmen.
Symbolisch spannt sich eine Brücke von der neuen Sajathütte in das Virgental und über die Landesgrenzen hinweg, auf der die Kunde von diesem großartigen Beispiel hinausgeht. Eine Brücke, auf der Gäste ins Tal und auch zur Hütte kommen, um jenen Erfolg zu sichern, den dieses Werk verdient und braucht.
Walter Mair
Kleine Zeitung – Michaela Ruggenthaler © 30.07.2002
Verschütteter Messkelch war im Sajatkar verschollen
Pfarrer zelebrierte den Festgottesdienst bei der Einweihung der neuen Sajathütte mit einem Kelch, den die Lawine unter sich begraben hatte.
Ergreifend war am vergangenen Sonntag der Eröffnungsakt in den Sajatmähdern hoch über Prägraten. Hunderte Menschen hatten sich am "Tanzboden", einem Kessel hinter der neuen Sajathütte, vor der Kulisse der imposanten Bergwelt versammelt. Stefan Kratzer, der junge Hüttenwirt, Nachfolger von Friedl Katzer, ging noch einmal detailliert auf die Hütten-, Unglücks- und Bauchronik ein. Vielen Helfern und Einsatzkräften hatte er zu danken: "Eine Menge Hausverstand und Idealismus stecken im Neubau. Die größte Dankbarkeit gehörte aber der "Mame" Maria Kratzer und dem Papa Friedl. "Mame, du bisch und bleibsch da guete Geischt im Haus. Und Papa: Ohne dich wäre das alles nicht möglich gewesen", meinte Stefan Kratzer mit Tränen in den Augen.
Othmar Kronsteiner, Hüter des "Katastophenfonds" des Landes Tirol, bezeichnete das neue "Schloss in den Bergen" als größer, schöner und fester als früher. "Das Land hat gezeigt, dass ihm Prägraten gleich viel wert ist wie Galtür", sprach Bürgermeister Johann Kratzer die großzügige finanzielle Unterstützung nach dem Lawinenunglück an.
Osttirol-Werber Franz Theurl, Walter Mair vom Alpenverein und Werner Lamprecht von der Wirtschaftskammer gratulierten der Hüttenwirt-Familie zur beispiellosen Leistung des Wiederaufbaus. Ganz bescheiden verräumte Friedl Kratzer nach dem Festakt die Utensilien, die Pfarrer Andreas Steiner aus Matrei beim feierlichen Gottesdienst verwendete. Als er den Messkelch in die Hand nahm, verriet er über diesen, was die Wenigsten wussten: "Auch ihn haben wir unter der riesigen Lawine wieder gefunden. Er ist ein Geschenk meiner Taufpatin und hat schon alle unsere Hüttenfeiern miterlebt."
Michaela Ruggenthaler
Osttiroler Tageszeitung – Gottfried Rainer © 29.07.2002
Zur Höchstleistung herausgefordert
Wo nur mehr Mauerreste standen, wuchs in Jahresfrist die neue Sajathütte in die Höhe. Gestern wurde das Schutzhaus offiziell eröffnet.
Hunderte schnauften am Sonntag über die Sajatmähder hinauf, Serpentine um Serpentine. Andere nahmen den weniger anstrengenden Weg über das Timmeltal oder ließen sich mit dem Taxi zur Johannishütte bringen. Das gemeinsame Ziel: die neue Sajathütte. Weisenbläser empfingen die Bergwanderer.
Zuerst verhüllten Wolken das "Schloss in den Bergen" auf fast 2600 m. Als im April 2001 eine Staublawine die alte Sajathütte zu Tal geschleudert hatte, reichte die mediale Druckwelle bis nach Deutschland. Und es schien, als hätten die Elemente die geschädigte Familie Kratzer, die Dorfgemeinschaft, Spender und Professionisten zu Höchstleistungen angespornt.
Seit Anfang Juli ist die neue Sajathütte in Betrieb: 90 Essplätze, in Stuben aus hellem Holz, Schlafplätze in Zimmern und Lagern für 60 Leute. Ein paar Zimmer haben sogar Dusche und WC. Es gibt einen Seminarraum und einen Kletterturm.
Das neue Schutzhaus ist in den Karriegel hineingebaut und unter anderem mit einem 35 Meter langen Lawinenwall gesichert. In der Mulde namens "Tanzboden",die die Lawine so locker überwunden hat, las Pfarrer Andreas Steiner die Messe. Seine Worte lösten Gefallen bei den zur Bergpredigt hingelagerten Menschen und Pfiffe bei den Murmeltieren aus. Echter Alpenklang dann: Als die Öberster Buebm ihre Stimmen erschallen ließen, warfen die nahen Felsen das Echo zurück.
Hüttenwirt Stefan Kratzer nahm sich Zeit, um die Mühen und Freuden des Wiederaufbaus zu schildern, der Dorfgemeinschaft, den Firmen, Arbeitern, Behörden, Spendern und seinen Angehörigen zu danken. BM Johann Kratzer dankte dem Katastrophenfonds: "Das Land hat gezeigt, dass ihm Prägraten gleich viel wert ist wie Galtür." Katastrophenfondschef Othmar Kronsteiner ging auf das Thema Missgunst gar nicht ein, Gotthard Bstieler vom TVB streifte es: "Neid muss man sich erkämpfen", sagte er und bemerkte: "Wenn alle so viel werben und so viel Engagement zeigen würden wie die Kratzers, dann wäre Prägraten die meiste Zeit voll." Glückwünsche kamen auch von Walter Mair (ÖAV), Franz Theurl (Osttirol-Werbung) und einem Stammgast.
Gottfried Rainer